Orts - Chronik von Steckborn 1830 - 1899

nach Aufzeichnungen von alt Statthalter und Bürgerpräsident Eduard Hanhart- Kreis

1831/33 Beginn der neuen Kirchturmbaute an der Westseite der Kirche. Vollendung im September 1834.
Die Baukosten betrugen exklusive Froner und Holz 27 000 Gulden. Das Holz wurde der Bürgerwaldung entnommen. (1 Gulden = 2,3 Franken).
1836 Gründung einer Armenanstalt im «Thurmhof», die aber erst 1842 eröffnet wird und schon
nach zirka 10 Jahren wegen Unrentabilität wieder aufgehoben wurde.
1839 Erstes Jugendfest in Steckborn.
1840 wird das Hornertor abgebrochen (mit Turmwohnung), stand beim Salamander, am Ostausgang des Städtchens.
1841/44 Bau der Bergstrasse Steckborn - Pfyn. Kosten zirka 40 000 Gulden.
1842 Prozess mit dem thurgauischen Fiskus wegen Entschädigung für aufgehobene Zölle. Das zürcherische Gericht spricht der Gemeinde
3533 Gulden zu.
1843 zerspringt die Mittagsglocke wegen zu starkem Läuten. Glockengiesser Rosenlächer in Konstanz giesst eine neue, grössere mit 47 Zentner Gewicht um zirka 1500 Gulden.
1845 Sonderbundskrieg. 30 Mann von Steckborn waren in der Schlacht bei Gislikon mit dabei.
1845/46 erfrieren in den oberen Lagen fast alle Reben und am nachfolgenden 22. Juni verheerte ein Hagelwetter alle Kulturen - dazu tritt die Kartoffelkrankheit noch auf.
1847 Ein Teuerungsjahr. 1 Pfund Brot kostet 12 Kreuzer (1 Kreuzer = 3 1/2 Rp.)- Die Gemeinde kauft von der Regierung eingeführtes russisches und amerikanisches Getreide, lässt backen und verkauft das Pfund Brot für 6 Kreuzer.
1848 neue Bundesverfassung, aus den lockeren Staaten (Kantonen) wird ein Bundesstaat geschaffen; freier Handel H und Gewerbe, freie Niederlassung, Glaubens- und Gewissensfreiheit,
Vereinheitlichung im Militärwesen, Münz-, Post- und Zollwesen.
1848/49 Klosteraufhebung im Thurgau. Die Gemeinde kauft das Zisterzienserinnenkloster Feldbach.
1853 Erweiterung des Friedhofes (ehemalige Pfrundreben, die zum Pfarrhaus gehörten).
1853 Die neuen einheitlichen Münzen werden eingeführt. Der Gulden hat ausgedient.
1859 Der österreichisch-italienische Krieg bedingt die Besetzung der südlichen Schweizergrenze.
Steckborn nimmt auch teil mit der Scharfschützenkompagnie.
1859 beginnt der Streit wegen dem Neubau eines grösseren Schulhauses. Die Platzfrage ist strittig;
entweder der sogenannte «Bachplatz» am See oder in der Hub.
1863 grössere Rathausreparatur. Anbringen einer Turmuhr, gänzlicher Verputz, die vier Brustbilder zwischen den Kreuzstöcken an der südlichen Front sind verdorben und werden zugedeckt. Sie stellten
die Jahreszeiten oder Lebensalter dar.
1863 Das Obertor bei der Kirche wird abgebrochen. Es enthielt auch eine Turmwohnung.
1864 Schulhaus-Neubau am See vollendet. 55 000 Franken. Wird mit einem Jugendfest eingeweiht.
1864 Erstellung einer Brückenwaage am Obertorplatz.
1864 Gründung einer Dampfschiffgesellschaft für Untersee und Rhein. (Die Bürgergemeinde und Private beteiligen sich mit 25 Stück Aktien.)
1866 Der bisherige Holzdamm (am heutigen Quai) wird ersetzt durch eine Steinmauer. (Auffüllung des Quais und eine Zementmauer kamen erst 1912.)
1867 Teilweise Kirchenrenovation, neue Kirchenfenster mit etwas Glasmalerei. (Nur farbige Rand-Bordüren.)
1868 Strassenbeleuchtung mit 15 grossen Petrol-Hängelampen. (Lampist!) Dieser Fortschritt wurde von der Lesegesellschaft angeregt und zum Teil unterhaltenKreuzstöcken an der südlichen Front sind verdorben und werden zugedeckt. Sie stellten die Jahreszeiten oder Lebensalter dar.
1869 sinkt das Dampfschiff «Rhein» bei Berlingen infolge einer Dampfkesselexplosion. Die Hebung des versunkenen Schiffes übernahm der Steckborner Ingenieur Labhardt.
1869 Bestrebungen zum Bau der sogenannten Nordostbahn.
1870 Voranschlag 12 Millionen. Die Bürgergemeinde beteiligt sich mit 125 000 Franken, Ortsgemeinde 30 000 Franken, Private zusammen zirka 100 000 Franken.
1870/71 Deutsch-französischer Krieg. Die Schweizergrenze wird von Pruntrut - Zurzach - Eglisau - Schaffhausen mit Truppen besetzt.
Später namentlich um Basel und Pruntrut. Alle 4 bis 6 Wochen wurden die Truppen gewechselt. 2 thurgauische Bataillone (14 und 49)
waren auch an der Grenze. Bataillon 14 war gerade im Dienst, als sich die Bourbaki - Armee bei Verrièrs in die Schweiz ergoss (zirka 6000 Mann). Sie wurden in der Inner- und Ostschweiz untergebracht. Abteilungen kamen in die ehemaligen Klöster Münsterlingen und Katharinental. Leider brachten sie auch Krankheiten mit:
Typhus und die Blattern.
1874 Brand im Falken.
1875 wird die Bahn mit Eclat eröffnet; aber schon nach 3 Jahren beginnt der Finanzjammer. Für 3,5 Millionen wird die «Linie» zusammengekauft. Die Kantone, Gemeinden und Private hatten im gesamten gegen
40 Millionen verloren.
1876 Grosser Wasserschaden. Hochwasser.
1880 «Seliges Ende» der Nationalbahn und damit auch der Nordostbahn.
1880/81 Sehr niedriger See-Wasserstand. Beginn der Grabungen der längstvermuteten Pfahlbauten. In der «Oberwies», sog. Schanz und in der Horrissenbucht, sog. Turgibucht. Fundgegenstände aus der Steinzeit (bis 3000 vor Christi). Das meiste kam in die naturhistorische
Sammlung vom kantonalen Museum in Frauenfeld. Einen schönen Resten haben wir in zwei Wandvitrinen
im Heimatmuseum im Turm. - Die östliche Pfahlbau - Anlage muss früher einmal abgebrannt sein, denn einige Fuss tiefer kam eine weitere Schicht mit ordentlich erhaltenen angebrannten
und zum Teil verkohlten Holzstücken und Pfählen in Sicht. Aber Zeit und Geld fehlten für weitere Grabungen.
1882 Jugendfest.
1883 werden die grossen Rebberge ausserhalb des Städtchens von der Reblauskrankheit heimgesucht (der sog. Mehltau).
Kupfervitriollösung sei das beste Spritzmittel dagegen. Aber der Steckborner Rebbau ging von dort an sichtlich zurück.
1883 Kantonales Turnfest im «Klostergarten» (jetzige Kunstseide).
1884 Brand von zwei Wohnhäusern neben dem Oberhof. (Spiegelgasse, sog. Nägelibaum.) Unter dem Schutt im Keller fand man
eine Schale mit über 100 Brakteaten. (Das ist dünnes, viereckiges Silbergeld von Konstanz.) Wir haben nur einige Exemplare im Heimatmuseum; der Fund ging ans Landesmuseum in Zürich.
1885 Kantonales Gesangfest auf dem Schulhausplatz.
1887 Jugendfest. Brand zweier Häuser im Turgi. Steckborn muss eine Wasserversorgung mit Hydranten haben. Die Dietenhauser
Quellen liefern konstant nur 100 Minuten - Liter.
1890 und 1892 Hochwasser. Die thurgauische Regierung weist auf die Rheinkorrektion im st. gallischen Rheintal hin. Die Ortsgemeinde
Eschenz lässt mit Hilfe der thurgauischen Regierung bei Stiegen oberhalb Stein am Rhein ab¬graben und erreicht mit zirka
3000 Franken Unkosten einen ziemlichen Erfolg.
1891 musste liquidiert werden. Die Hypothekargläubigerin - eine Bank in Winterthur - übernahm alles. Sie verpachtete das Etablissement. In den oberen Räumen wurde eine Fabrik für landwirtschaftliche Maschinen eingerichtet, die aber nie recht gedeihen wollte. Die Giesserei in den unteren Räumen, gegen den See, hingegen machte gute Geschäfte.
1894 also ein Jahr vor dem Brand, hatte die Firma Bächthold & Co. eine Motorenfabrik (zuerst Petroleum- dann Benzin-Motoren)
in den oberen Fabrikräumen eingerichtet. Zirka 100 Arbeiter fanden da Beschäftigung. Der Brand sei in der Juni-Nacht vom
23. auf den 24. ausgebrochen und man vermutete Brandstiftung. Der Brandherd befand sich in der Modellschreinerei. Er konnte
nicht eingeschränkt werden. Nach zirka einer Stunde ergriff das Feuer auch die Giesserei. Man fürchtete zu löschen, dort wo
die Dampfmaschinen standen, wegen Explosionsgefahr. Von der Giesserei sprang das Feuer auf die Kirche über und bald brannte
das ganze Klosterareal bis auf den Grund nieder. Nur das Refektorium, heute die Kantine der Kunstseide, blieb verschont.
Die kantonale Brandassekuranzkasse musste den Versicherungswert mit rund 98 000 Franken ausbezahlen. Die Bank Winterthur
war dadurch grösstenteils gegedeckt und verkaufte bald das noch Vorhandene - Gebäulichkeiten und Liegenschaften innerhalb der
Klostermauern - um - sage und schreibe - 38 000 Franken.
1895 Brand des Klosters Feldbach. Dasselbe wurde, nachdem es 1848 von der Gemeinde käuflich übernommen wor¬den war, 1864 an
einen Industriellen (H. Labhart) behufs Einführung einer Industrie billig verkauft. An¬fänglich wurde eine Gewehrschäftefabrik
eingerichtet. Jedoch schon 1868/69 übernahm dessen Schwager, Herr J. Gubler, das Etablissement und machte daraus eine
Maschinenwerkstätte, in der namentlich Stickmaschinen hergestellt wurden. Zu jener Zeit florierte die Stickerei auch in
unserer Gegend glänzend. Viele Jahre hindurch waren mehrere hundert Arbeiter bei gutem Lohn in der Maschinenfabrik Gubler
beschäftigt. Viele junge Rebleute legten die Hacke beiseite und gingen in die Fabrik. Aber anfangs der 80er Jahre fing es
aus verschiedenen Gründen zu happern an - zu ausgedehnte Ueberproduktion - Neubauten in dieser Branche in Konstanz -
schlechter Geschäftsgang überhaupt.
1898 Andere industrielle Unternehmen in Steckborn, die in jenen Jahren florierten, waren die Hohlsäume-Näh maschinenfabrik der Gebrüder
Gegauf mit 25 Arbeitern (heute beschäftigt die Nähmaschinenfabrik Fritz Gegauf AG mit dem Büropersonal 1500 Angestellte). Die Giesserei-Werkzeugfabrik von Herrn Wagner & Stein auf dem Areal der ehemaligen Wolfkehlenmühle mit zirka 30 Mann.
Eine Kinderwagen-Fabrik von H. Wiedemer z. Rose. In der Weiermühle betrieb Jean Labhart seine mechanische Werkstätte mit einer
trefflichen Turbinen-Einrichtung. Dort war auch die Eichstätte.
1898 Im Frühjahr: Erstellung einer Seebadanstalt in der «Horrissen», die auf die Badesaison hin eröffnet wurde.
Kosten 7000 bis 8000 Franken. Davon waren 2500 Franken Legate, das übrige Kapital wurde durch private Aktienzeichnungen à 25 Franken aufgebracht.
1898 Die Wasserversorgung mit Hydranten nach Feldbach, Weier und Wolfkehlen wird fortgesetzt. Kosten etwa 15 000 Franken. Das Reservoir im «Grond» wurde vergrössert um eine weitere Kammer. Die beiden Kammern
fassen je 200 Kubikmeter Wasser. Kosten 5000 Franken. (Eine Kammer stets gefüllt.)
1898 Im Bürgerarchiv sind aufbewahrt, von der Centenarfeier in Weinfelden (1798 bis 1898 Festalbum, Festschrift, Festspiel, Tageszeitungen, Festmedaille).
Jeder Bezirkshauptort stellte eine Gruppe an den Festumzug. Steckborn schickte 25 Teilnehmer in den Trachten von 1798.
1898 Im und am Rathaus sind seit einer Reihe von Jahren immer wieder Reparaturen und Verbesserungen nötig. (1863 war die letzte grössere
Renovation.) Neuer Verputz. Besetzung des Vorplatzes mit geköpften Steinen. Ausgiessen der ausgelaufenen Wendeltreppe. Neuer Zement-
Plättliboden (mit Steckbornerwappen in den Gängen). Neubemalung des Gerichtssaales im 1. Stock. Neuer Buchenriemenboden und neue Bestuhlung im oberen Saal. Vergrösserung und Neu-Einrichtung des Zollbüros im Parterre.Im Archiv: Neu-Ordnung der Schriften und Dokumente nach Jahrgängen.
Entfernung des Gerichtsschrankes und dessen Verbringung ins obere Wartezimmer.
Aufstellung von Tisch und Stühlen und sonstige Instandstellung. Dieses Zimmer dient lediglich dem Steckborner Bürgerarchiv.
Die zweite Mauernische (vom See her) wird restauriert und durch eine eiserne Türe feuerfest gemacht. Aufbewahrt sind dort wertvolle
Schriften und Dokumente: Hausmann'sche Chronik, eine Serie Ratsprotokolle, neuere Chronikbände, viele Pergamente und andere für die Geschichte von Steckborn interessante Einbände.J. Spillmann, Schlossermeister, erstellte die äussere feuerfeste Türe, Kosten 120 Franken.
Die alte, geschmiedete Türe, wurde in ihrer ursprünglichen Form belassen. Darüber ist die Jahreszahl 1585 und das Steckborner-Wappen angebracht.
1898 Das Rathaustürmchen wird statt der Schindelbedachung mit Kupferplatten gedeckt, durch Spenglermeister Aug. Labhart. Preis
per m2 = Fr. 19.20. Gesamtkosten zirka 1200 Franken.
1898/99 Im Winter wird die Stedi in Angriff genommen. An Stelle des hölzernen Vorsteges wird ein solcher aus Eisenkernkonstruktion treten mit
verstellbarer Brücke. Zur Benützung bei Hochwasser kommt ein eiserner Steg zum Demontieren in Anwendung.
1899 In diesem Jahr soll alsdann der Turmhof und der Kirchturm zur Neubedachung an die Reihe kommen. Alt Statthalter Hanhart
schildert zum Schluss noch den Stand der ausgedehnten Bürgerwaldungen, das Vermögen der Steckborner Bürgergemeinde. Aber noch 1898 schreibt er, wie die riesigen Schulden der ehemaligen Nord-Ost-Bahn enorme Summen verschluckte. Ganze Waldbezirke mussten diesem Moloch geopfert werden. 80 Jahre später hat die Bürgergemeinde Mühe, ihr Holz zu verkaufen. Schon im ersten Drittel unseres Jahrhunderts kommen die Zentral- und Oelheizungen immer mehr auf. Nur in ganz veralteten Häusern werden noch Buscheln verbrannt. Auch die Waldarbeiter sind rar geworden.