Schloss Wolfsberg
Auf einer aussichtsreichen Terrasse der Seehalde oberhalb Ermatingen
steht das Schloß Wolfsberg.
Die Stelle gewährt eine wunderbare Sicht
über den Untersee und die Insel Reichenau; dennoch ist Wolfsberg unter
den benachbarten Burgen die jüngste und von der Romantik des Rittertums
nicht mehr verklärt worden.
Durch fremde Kriegsdienste und einträgliche Beamtungen war die Familie
Weerli von Frauenfeld zu Reichtum und Ansehen gekommen. Oberhalb
Eschikofen besaß sie den Hof Burg, dann um 1560 Schloß Gryffenberg
bei Bäretswil. 1571 trat Junker Wolf Walter von Gryffenberg vor die
Äbtissin Afra von Feldbach und erbat sich von ihr zu einer standesgemäßen
Behausung die Halde oberhalb Ermatingen. Dort erbaute er ein Wohnhaus
und nannte es nach seinem Namen Wolfsberg. Als Ortsfremder hatte er
aber oft Streitigkeiten, besonders weil er die nächstliegenden Güter
einzäunte, während die anstoßenden Gemeinden auf dem Weiderecht
beharrten, und diese Prozesse zwangen ihn schließlich zum Verkaufe
sowohl seines Erbhauses in Frauenfeld wie auch des Wolfsberges.
Sein Nachfolger,
Junker Friedrich Gelderich von Siegmarshofen, erwarb die niedere
Gerichtsbarkeit und die Geltung eines Freisitzes für Wolfsberg,
obwohl keine Untertanen dazu gehörten, und nahm sich des Schulwesens
und der evangelischen Lehre in seiner Gegend tatkräftig an. Die
Gelderich besaßen den Wolfsberg bis 1701, dann ging er nach zweimaliger
kurzfristiger Handänderung 1731 an Junker Johannes Zollikofer von
Altenklingen über.
Bis dahin war das Schloß ein Mittelding zwischen städtisch/bäurischer
Bauart mit gemaltem Riegelwerk und hohen ausgezackten Giebelwänden
gewesen; Zollikofer baute es nach dem Musler seiner Vettern auf Hard
und Caslell in ein modernes Schloß/ gebäude um, so daß von der
ursprünglichen Gestalt wenig mehr übrig blieb.
Von 1755 bis 1795 weilten ein st. gallischer Syndikus Kunkler und
hernach Hartmann von Breitenlandenberg auf dem Edelsitz; dann brach
für Wolfsberg unter Baron Högger von Höggersberg, einem durch
Spekulation zu großem Reich' turn und zu Adelwürden gelangten Bankmann
und Staatsrat, die Glanzperiode an. Neben dem alten Gebäude wurden die
Bauten des neuen Schlosses errichtet, und König Maximilian von Bayern
erwies dem Besitzer 1811 die Ehre, darin eine Mittagsmahlzeit einzunehmen.
1815—1822 gehörte das Schloß Baron Ignaz von Wechingen, der sich bei Abukir
und Trafalgar in englischen Diensien ausgezeichnet hatte und Napoleon bei
Waterloo besiegen half. Er erhielt den englischen Adel und beschloß seine
Tage als thurgauischer Bürger auf dem Wolfsberg. Der Zufall wollte es, daß
die Gegenpartei ihn ablöste; denn von 1824 bis 1835 war Wolfsberg ein
Sammelplatz der Bonapartisten. Oberst Charles Parquin, der Lebensretter
des Marschalls Oudinot und Gardehauptmann unter Napoleon L, machte das Schloß
zu einem Treffpunkt der Anhänger des gestürzten Kaiserhauses und verschönte es
mannigfach durch Aus/ bau und Gartenanlagen. Königin Hortense und ihr Sohn waren
fast täglich Gäste auf Wolfsberg, bis das mißglückte Straßburger Attentat (1836)
dem Schloßbesitzer, der tätigen Anteil daran genommen hatte, Kerkerhaft und den
Konkurs eintrug.
Der Engländer Joseph Martin Parry verwandelte hernach in den vierziger Jahren
das Schloßgut dank ausgezeichneter landwirtschaftlicher Kenntnisse, z. B. durch
Einführung der damals noch fast unbekannten Drainage, in eine Musterwirtschaft;
sein früher Tod lieferte die Güter leider der Spekulation aus und veranlaßte
sogar die Trennung der alten und der neuen Gebäulichkeiten. 1889 war der gesamte
Besitz wieder in einer Hand vereinigt und ist es bis heute geblieben; gegenwärtiger
Eigentümer ist seit 1927 Herr Oederlin/Moersdorff.
Gebäude und Anlagen sind in mustergültiger Weise renoviert worden, zahlreiche Bilder
und Drucke, viele Schränke und Konsolen aus Parquins Zeiten sind noch vorhanden.