Schloss Liebenfels

Die den Übergang aus dem Thurtal an den See nach Mammern beherrschende, auf einem Vorsprung des Seerückens erbaute Burg Liebenfels erscheint in der Geschichte erstmals 1254 als Sitz eines ritterlichen Geschlechts dieses Namens, das zum Bischof von Konstanz im Lehensverhältnis stand. Ritter Hermann I. tritt wiederholt in den Urkunden als Zeuge auf. Von 1294 an finden wir zwei Hermann von Liebenfels; der eine wirkte 1308 bei der Beurkundung einer Sühne zwischen der Stadt Zürich und Domprobst Konrad von Klingenberg mit, und 1325 bürgt, u. a. ein Hermann von Liebenfels für den Bischof Rudolf III. um 1100 Mark Silber.
Neben den weltlichen Herren von Liebenfels erscheinen urkundlich auch mehrere geistliche Angehörige des Geschlechtes; so stand ein Konrad von Lieben' fels von 1296 bis 1313 dem Kloster Allerheiligen in Schaffhausen als Abt vor.
In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts mußten die Herren von Liebenfels Schulden halber ein Gut ums andere verkaufen, und von 1380 an, da Rudolf, der Enkel des Ritters Hermann IV., letztmals urkundlich erwähnt wird, verschwindet


das einst angesehene Geschlecht. Die Burg ging an einen Gläubiger, Hermann Grämlich von Konstanz, über, und 1395 belehnte der Bischof den Heinrich von Tettighofen, Bürger zu Konstanz, mit der um 900 fl. erkauften Burg und Herrschaft Liebenfels. Seine Enkelin Anna von Tettighofen brachte den Besitz ihrem Gatten Hans Lanz zu.
Dieser vom Glück ungewöhnlich begünstigte Emporkömmling stand nicht nur als Hofmeister und allmächtiger Minister dreier Bischöfe in Konsianz in hoher Gunst, er war auch bei Kaiser und König und bei den Herzögen von Österreich angesehen; Kaiser Friedrich erhob ihn in den Adelsstand und verlieh ihm Namen und Wappen der Herren von Liebenfels.
Als im Streit um den Bischofssitz von Konstanz der rechtmäßig gewählte Graf Otto von Sonnenberg über seine Gegner, unter denen sich auch Lanz befand, den Kirchenbann aussprach, benutzten einige Männer aus der Innerschweiz diesen Anlaß, um einen Freischarenzug in die Herrschaft Liebenfels zu veranstalten und sich der Burg zu bemächtigen, die erst im folgenden Jahr (1476) durch Vermittlung eidgenössischer Boten Frau Lanz wieder übergeben wurde. In den Jahren 1478-1494 erschien der Schloßherr von Liebenfels nicht weniger als sechzehn Mal, meist mit heiklen Missionen betraut, im Auftrag Österreichs vor der eidgenössischen Tagsatzung. Er starb kurz nach dem Schwabenkrieg. Das Gut, damals bestehend aus 931 Jucharten Ackerland, 376 Mannsmad Wiesen, 16 Jucharten Reben und 906 Jucharten Holz, ging mit Schloß und Herrschaft an die Söhne des Hans Lanz, Heinrich und Hans Jakob, über.
Ein schlimmer Handel führte 1529 zu einem zweiten Auflauf vor dem Schloß. Der junge Jakob von Liebenfels verführte eine Tochter von Lanzenneunform und hielt sie im Schloß zurück.

Da sie trotz den Mahnungen des Vaters dort blieb, zog dieser mit einigen Bekannten vor das Schloß. Dabei erschoß Jakob den Vater des Mädchens, worauf der Landsturm erging. Der Handel erregte bei den ohnehin gespannten Verhältnissen großes Aufsehen in der Eidgenossenschaft und ein Bürgerkrieg schien unvermeidlich.
Auf die Vermittlung Zürichs ergaben sich Jakob von Liebenfels und Hugo Dietrich von Hohenlandenberg, der wegen Ermordung des Helfers von Frauenfeld flüchtig war, der richterlichen Gewalt. Der Vater Heinrich von Liebenfels zahlte Entschädigung, Buße und Kosten.
Hans Heinrich von Liebenfels, wohl der Sohn Jakobs, verkaufte 1574 die Herrschaft ohne Gündelhart, das er für sich behielt, dem schwäbischen Edelmann Hans Christof von Gemmingen. Von dieser Familie kam sie 1654 an das Kloster St. Urban (Luzern).
Als 1848 das Kloster St. Urban aufgehoben wurde, erwarb zunächst der bekannte Professor August A. L. Folien von Gießen das Schloßgut, nachdem er bereits 1829
und 1832 hier Wohnung genommen hatte. Er verkaufte Liebenfels schon 1850 an Kaspar Bebie, blieb aber bis 1853 im Schloß. Der neue Besitzer ließ die stattliche Burganlage, die 1848 noch den Charakter aus dem beginnenden 16. Jahr/ hundert trug, gründlich erneuern. Von Kaspar Bebie ging das Schloß auf Sohn und Enkel über, die 1922 und 1927 starben; seither ist des letztern Mutter, Frau Frieda Bebie/Rietmann, Eigentümerin.
Die Burg Liebenfels gehörte noch im 18. Jahrhundert zu den interessantesten Anlagen. Als Deckung der Straße, die durch die Burg führte, diente ein südliches Vorwerk, das 1740 noch vollständig erhalten war; von dessen Turm führte eine hölzerne Brücke über den tiefen Graben zum Schloß hienüber. Dieses besteht aus drei von Süd nach Nord aufeinander folgenden Teilen. Dem Wohngebäude, das über den berühmten Gewölben sich erhebt, folgt der erheblich breitere Teil mit dem Turm; den dritten Teil bildet das mittelalterliche Wohnhaus. Bald nach 1848 begannen durchgreifende Umbauten. Der Graben wurde ausgefüllt, das Vorwerk niedergelegt, das alte Wohnhaus umgebaut; der vorkragende Obergaden von Fachwerk muß nach einem Bild von Wagner um 1840 schon vorher beseitigt worden sein.
Der Turm ist auf annähernd quadratischem Grundriß bis zur Basis des obersten Stockes aus grobem Kieselmauerwerk errichtet. Die unbehauenen Steine, deren Größe nach oben abnimmt, sind unten gewaltige Blöcke von etwa 1 m Höhe und 1,25 bis 1,50 m Länge. Der oberste Stock ist vermutlich zu Anfang des 16. Jahrhunderts aufgesetzt worden. Der aus fünf Stockwerken aufgebaute Turm hat über dem 3,80 m tiefen Verließ ein fensterloses, 7,60 m hohes Erdgeschoß mit 2,50 m dicken Mauern. Der ursprüngliche Eingang befand sich an der Nordseite des ersten Stockes. Im dritten Stock beträgt die Mauerdicke immer noch 1,70 m. Das oberste Stockwerk birgt ein aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts stammendes spätgotisches Kamin, auf dem die Reliefschilde der Lanz von Liebenfels und der Muntprat eingemeißelt sind.
Die südlichen Vorbauten gehen nach dem an der äußern Rundbogentüre angebrachten Datum auf das Jahr 1488 zurück.
Das vordere Schloß stammt wohl auch aus dem Ende des 15. Jahrhunderts; denn man findet an den Ansätzen des Kreuzgewölbes im Eckraum H die gemeißelten
Inschriften: Hans von Liebenfels, Frau Aignes von Liebenfels, sin , Frau
Anna von Tettighofen sin Gemachel.... Die nördliche und südliche Schmalseite des Hauses sind mit unregelmäßigen Staffelgiebeln bekrönt. Im übrigen sind das Innere und Äußere ihres ursprünglichen Charakters entkleidet. Unter diesem Hause liegen die rätselhaften Kellerräume, deren Anlage aus drei rechtwinklig verbundenen Flügeln besteht. Mit einer Ausnahme sind alle Teile zweigeschossig.

Durch Treppen und Türen sind die Räume in gegenseitige Verbindung gebracht; fast alle haben Rundtonnen als Decke. Die ältesten Teile gehen auf das Jahr 1488 zurück, als der Gebäudeteil E erstellt wurde, dessen Unterbau sie bilden. Dieses vordere Schloß mit seinen merkwürdigen Kellern hat Hans Lanz geschaffen, der ohne Zweifel dem Schloß eine so stattliche Gestalt gab, um es mit seinem bedeutenden Ansehen und seinem Reichtum in bessern Einklang zu bringen.